Viele Wohnungs-Investoren glauben, sie könnten die Mietpreisbremse ignorieren. Sie fühlen sich damit sicher, weil die nach § 556 g Abs. 2 BGB möglichen Mieter-Rügen bislang nur selten ausgesprochen werden. Im Ergebnis zahlen sie viel zu hohe Preise für Mehrfamilienhäuser.
Ich möchte Ihnen von einem Fall berichten, der sich tatsächlich so ereignet hat: Ein mir bekannter Berliner Investor hat eine 152 qm große Wohnung, nachdem der Vormieter auszog, für 1500 Euro/Monat vermietet. Das war in der Tat die realistisch mögliche Marktmiete. Aber ein Jahr, nachdem er den Mietvertrag abgeschlossen hatte, flatterte ein Schreiben bei seiner Hausverwaltung ein. Das Schreiben war ganz offensichtlich mit dem Mieterverein oder einem Anwalt abgestimmt.
Ein Brief, der 196.304 Euro kostet
In dem Schreiben wurde argumentiert: Die Nettokaltmiete liege bei 9,87 Euro/qm. Die ortsübliche Vergleichsmiete laut Mietspiegel betrage indes nur 5,71 Euro/qm. Schlage man 10 Prozent dazu – wie dies laut Mietpreisbremsen-Gesetz möglich ist – dann ergebe sich, so der Mieter, eine zulässige Höchstmiete von 6,28 Euro/qm bzw. 954,71 Euro.
In dem Brief hieß es weiter: “Die von Ihnen geforderte Miete übersteigt die höchst zulässige Miete um 545,29 Euro nettokalt. Ich fordere Sie zur Vermeidung einer gerichtlichen Klärung auf, mir bis zum … schriftlich mitzuteilen, ob Sie der hier ermittelten Reduzierung der Nettokaltmiete zustimmen… Die überhöhte Miete zahle ich ab sofort ausdrücklich unter dem Vorbehalt der Rückforderung.”
Der Investor wusste, dass er vor Gericht keine Chance hat und reduzierte die Miete. Das bedeutet, dass er künftig jährlich 6543,48 Euro weniger Mieteinnahmen hat als kalkuliert. Setzt man beim Verkauf des Objektes einen Faktor von 30 an (was bei der Lage realistisch ist), dann bedeutet dies einen Verlust von 196.304 Euro.
Das betrifft jedoch wohlgemerkt nur diese eine Wohnung. Nehmen wir zur Vereinfachung mal folgendes an: Wenn ein Investor ein Haus mit einer Wohnfläche von 2000 qm erwirbt und bei jeder Neuvermietung statt 9,87 Euro nur 6,28 Euro nehmen darf, dann ist sein Haus 2,58 Millionen Euro weniger wert als er beim Erwerb kalkuliert hat.
Warum Investoren zu hohe Preise zahlen
Viele Investoren sind beim Kauf nur deshalb bereit, sehr hohe Faktoren zu akzeptieren, weil sie bei der Neuvermietung ohne Berücksichtigung der Begrenzungen durch die Mietpreisbremse kalkulieren. Nehmen wir noch einmal das Beispiel und führen es mit oben genannter Annahme fort: Wenn das Haus derzeit zu einer Miete von 5,71 Euro/qm vermietet wäre, dann bedeutete dies 137.040 Euro Mieteinnahmen pro Jahr. Es gibt viele Investoren, die würden ein solches Haus sofort zum 30fachen kaufen, also für ca. 4,1 Mio. Euro.
Der Käufer rechnet dann so, dass er irgendwann das Haus für 10 Euro/qm vermieten kann, was der aktuellen Marktmiete entspricht. Das würde Mieteinnahmen von 240.000 Euro bedeuten. So gerechnet, hätte er auf die seiner Meinung nach erzielbare Soll-Miete nur einen – durchaus heute sehr attraktiven – Faktor von etwa 17 bezahlt. Diese Rechnung basiert jedoch darauf, dass er bei der Neuvermietung die Marktmiete – ohne Berücksichtigung der Mietpreisbremse – nehmen kann. Das ist heute tatsächlich oftmals üblich und eher die Regel als die Ausnahme. Aber bleibt das auch so?
Solche Briefe sind die Ausnahme – wie lange noch?
Viele Mieter sind froh, wenn sie eine Wohnung anmieten können. Manchen ist dabei nicht bewusst, dass sie mehr bezahlen, als sie laut Mietpreisbremsengesetz zahlen müssten. Anderen ist es zwar bewusst, sie akzeptieren das jedoch trotzdem. Zunächst. Irgendwann sehen sie, dass andere Mieter erfolgreich die Miete durch einfache Schreiben (wie das oben zitierte) reduzieren und machen es denen nach. Diejenigen Mieter, denen es nicht bewusst war, dass sie einen Vertrag mit einer gesetzlich nicht zulässigen Miethöhe unterschrieben haben, werden irgendwann durch den Mieterverein, durch die Mund-zu-Mund-Propaganda oder durch Artikel in den Medien (“Dein Recht als Mieter”) darauf aufmerksam.
Sie haben keine Chance gegen Falschrechner am Markt
Ich würde daher beim Kauf eines Hauses nur mit der tatsächlich gesetzlich zulässigen Miete kalkulieren. Erstens, weil ich generell kein Geschäftsmodell auf dem Bruch bestehender Gesetze aufbauen würde (auch dann nicht, wenn ich sie für unsinnig halte). Zweitens deshalb nicht, weil ich eine solche Kalkulation nicht für nachhaltig erachte.
Viele andere rechnen jedoch so wie der oben als Beispiel angeführte Investor. Sie kalkulieren also mit Mieterhöhungspotenzialen, die es nur dann gibt, wenn man die Mietpreisbremse ignoriert.
Es gibt heute zwei Arten der Berechnung: Einmal die “progressive” Mietpreisbremsen-Ignoranten-Berechnung, die bei der Soll-Miete von der derzeit am Markt durchsetzbaren Miete ausgeht. Und dann die aus meiner Sicht einzig vernünftige, vorsichtige Rechnung, die bei der erzielbaren Miete nur mit dem gesetzlich möglichen Aufschlag von 10% auf die Nettokaltmiete kalkuliert. Wenn Sie am Markt im Wettbewerb mit einem oder mehreren Mietpreisbremsen-Ignoranten stehen (und dies ist die Regel), dann haben Sie keine Chance, die Immobilie zu einem einigermaßen vernünftigen Preis zu erwerben.
Alternative Neubau
Die Mietpreisbremse ist zwar zunächst auf 5 Jahre begrenzt, aber ich würde auf keinen Fall darauf spekulieren, dass sie dann wieder abgeschafft wird – so unsinnig sie auch ist. Ich bin dagegen ziemlich sicher, dass sie in der nächsten Legislaturperiode für Bestandswohnungen sogar noch verschärft wird – so etwa durch eine Änderung der Berechnungsvorgaben für den Mietspiegel.
Aus all diesen Gründen entscheiden sich immer mehr Investoren dafür, Neubauwohnungen zu erwerben. Zwar werden auch hier hohe Faktoren bezahlt (je nach Lage und Stadt zwischen 22 und 30), aber da beim Neubau die Mietpreisbremse nicht gilt, stehen sie nicht im Wettbewerb zu Investoren, die einfach ganz anders rechnen als sie es tun. Daher ist die Chance, bei einem Forward-Deal für ein Neubauprojekt ein Haus zu einem vernünftigen Preis zu erwerben, wesentlich größer als beim Kauf von Bestandswohnungen.