Berlin: “Wir sind gegen alles”

DIE WELT zitiert am 26. Mai den Schöneberger SPD-Abgeordneten Lars Oberg, der zynisch die Abstimmung zur Randbebauung des Tempelhofer Feldes kommentierte: Die Berliner hätten ihr Herz für Immobilienbesitzer entdeckt, deren Eigentum die Abstimmung mit “weitreichendem Nein zu Neubau schlagartig teurer gemacht” habe. Ein Freund von mir, der einige Zinshäuser in Berlin besitzt, hat bei der Abstimmung in der Tat genau aus diesem Grund auch gegen die Bebauung des Tempelhofer Feldes gestimmt. Aber sein Motiv war natürlich eine seltene Ausnahme.

Warum haben die Berliner mit überwältigender Mehrheit gegen eine auch nur sehr behutsame Randbebauung des Tempelhofer Feldes gestimmt?

Weil man in Berlin will, dass sich am besten gar nichts verändern soll.Das heißt:

  • Man ist gegen Neubau von Wohnungen und gegen Investoren. (= Immobilienhaie)
  • Man ist gegen die Modernisierung bestehender Wohnanlagen. (“Milieuschutzsatzungen” sollen die “Gentrifizierung” verhindern.)
  • Man ist gegen die Aufteilung, mit denen Eigentumswohnungen geschaffen werden. (Ein Aufteilungsverbot soll das verhindern.)
  • Man ist dagegen, dass die Mieten steigen. (Die Mietpreisbremse soll es richten.)
  • Man ist dagegen, dass es Mietern zugemutet wird, sich in Spandau statt im Prenzlauer Berg eine Wohnung zu suchen.
  • Man ist dagegen, dass “Schwaben” und andere “Westdeutsche” in den “Kiez” kommen.

Rund 100.000 Menschen sind allein in den letzten beiden Jahren neu nach Berlin gekommen. Es wird nach wie vor viel zu wenig gebaut. Deshalb steigen logischerweise die Mieten.

Nach dem “Stadtentwicklungsplan Wohnen” des Berliner Senates gibt es Platz in der Hauptstadt für mindestens 220.000 neue Wohnungen. Doch überall, wo gebaut werden soll, regt sich Widerstand. Parallel zur Europawahl und zur Abstimmung über das Tempelhofer Feld wurde in Charlottenburg abgestimmt, ob auf der Schrebergartenkolonie Oeynhausen 700 neue Wohnungen entstehen sollen. 77 Prozent der Abstimmungsberechtigten votierten dagegen. Es soll alles bleiben, wie es ist:

  • Schrebergärten statt Wohnungen.
  • Ein großer, leerstehender Flughafen als großer Grillplatz statt Wohnungen.
  • Kiezmilieu mit unsanierten Wohnungen statt modernem Wohnraum.

Aber die Mieten sollen nicht steigen.

Die SÜDDEUTSCHE ZEITUNG wunderte sich kürzlich in einem großen Artikel über die Investorenfeindlichkeit in der Hauptstadt: “In Berlin wird der Wohnraum knapp”, so titelte sie: “Doch wer neu baut, wird bekämpft. Über eine Stadt, die Krieg gegen Investoren und Zugezogene führt.” In dem Artikel hieß es: “Die Wut über steigende Mieten und über den Wandel der Stadt hat ein konkretes Ziel gefunden: Neubauprojekte.”

Für diejenigen, die Wohnimmobilien in Berlin besitzen, ist das alles kein Problem. Im Gegenteil. Sie profitieren ja vom knapper werdenden Wohnraum. Aber für die Menschen, die in die Stadt kommen und für die Mieter, die mit steigenden Mieten konfrontiert werden – für die ist es ein Problem.